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Sousa Mendes

Portugiesischer Diplomat in Antwerpen (1928 - 1938) rettet jüdische Familien vor der Verfolgung

Porträt eines Mannes

Ich bin lieber auf der Seite Gottes gegen den Menschen, als auf der Seite des Menschen gegen Gott (1940).
(Foto: Sousa Mendes Foundation)

Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im Sommer 1940 ist Aristides de Sousa Mendes seit zwei Jahren portugiesischer Konsul in der südfranzösischen Stadt Bordeaux. Kurz zuvor bekleidete er dieses Amt in Antwerpen (Januar 1928-1938). Während seines Aufenthalts in Antwerpen wohnte er in der Rubenslei und knüpfte dort zahlreiche Kontakte.

Schnell nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs erzeugt der Vormarsch der Deutschen unvorhersehbare Flüchtlingsströme. Das Rote Kreuz spricht von rund 6 Millionen Menschen auf der Flucht. Die Mehrheit der Flüchtlinge stammt aus Ländern, in die die deutschen Truppen einmarschieren. Unter ihnen befinden sich auch knapp 2 Millionen Belgier: Menschen, die die Kriegsgewalt fürchten, politische Flüchtlinge und jüdische Familien. Die Fluchtroute verläuft oft über Südfrankreich und Spanien. Begehrtes Ziel ist das „neutrale” Portugal. Von dort aus ist der Weg nach Palästina, in die USA und nach Südamerika offen. 

Die Wahl Portugals liegt keineswegs auf der Hand: Das autoritäre portugiesische Regime macht ein Betreten seines Grundgebiets fast unmöglich. Aristides de Sousa Mendes beschließt jedoch, nicht der Politik seines Landes, sondern der Stimme seines Gewissens zu folgen. Ab Mitte Juni 1940 gewährt der Konsul in Bordeaux deshalb jedem, der ihn darum ersucht - ungeachtet seiner Nationalität, Religion oder Rassenzugehörigkeit - ein Visum für Portugal. Dadurch gelingt es Tausenden von Flüchtlingen - darunter auch einigen Antwerpener Familien -, der Verfolgung der Nazis zu entgehen. Sousa Mendes büsst schwer für diese Entscheidung. Seine politische Laufbahn findet ein jähes Ende und auch seinen Kindern wird es unmöglich gemacht, im totalitären Portugal der 1950er und 1960er Jahre Fuß zu fassen und sich ein Leben aufzubauen. Sousa Mendes stirbt 1954 völlig mittellos. 
 

Gruppenporträt

Sousa Mendes’ Kinder und Enkel erhalten von Yad Vashem die Auszeichnung „Righteous Among the Nations” (1967).
Foto: Sousa Mendes Foundation

Obwohl Israel die Bedeutung seiner Handlungsweise bereits in den 1960er Jahren anerkennt, werden Sousa Mendes’ Taten in seinem Heimatland erst in den 1980er Jahren - d. h. nach dem Fall der Diktatur in Portugal - gebührend gewürdigt. 

Im Sommer 1940 sind Sousa Mendes in Bordeaux aufgrund der strengen portugiesischen Gesetze die Hände gebunden. Ab und zu macht er jedoch eine Ausnahme und erteilt Einzelnen trotzdem ein Visum. Er ist vorsichtig und will nicht auffliegen. Die Lage wird aber schnell immer aussichtsloser.  

Große Gruppen von Flüchtlingen versammeln sich vor dem Konsulat und trommeln gegen die Tür. Die Entscheidung drängt. Sousa Mendes beschließt deshalb ab 17. Juni 1940, in großer Zahl Visa an die zu verteilen, die in Not sind. Das geschieht - unter Beteiligung von Familienmitgliedern und Personal - buchstäblich am laufenden Band. Als das portugiesische Außenministerium erkennt, was dort geschieht, annulliert es die Gütigkeit aller von Sousa Mendes erteilten Dokumente.  

Am 24. Juni 1940 beordert der autoritäre portugiesische Regierungschef António Salazar seinen Konsul zurück nach Portugal. Aristides de Sousa Mendes lässt sich Zeit. Er kehrt erst am 8. Juli in sein Heimatland zurück und verteidigt dort seine aus humanitären Gründen durchgeführten Aktionen. Als überzeugter Katholik wollte er verhindern, dass die Flüchtlinge den deutschen Invasoren in die Hände fielen, da das Leben vieler Menschen dadurch in Gefahr geraten wäre. Bekannt ist auch sein Satz: „Ich stehe lieber auf der Seite Gottes gegen den Menschen, als auf der Seite des Menschen gegen Gott”.

Am 30. Oktober verhängt Salazar persönlich die Strafe für den Konsul. Er wird mit sofortiger Wirkung seines Amtes enthoben, erhält ein Jahr lang nur die Hälfte seines Gehalts und wird danach dazu verpflichtet, sich aus der portugiesischen Diplomatie zurückzuziehen. Aristides de Sousa Mendes stirbt 1954 völlig mittellos im Alter von 68 Jahren.

Renommierte Historiker des Holocaust beschreiben Aristides de Sousa Mendes’ Taten als die „wahrscheinlich größte Rettungsaktion eines einzelnen Menschen während des Holocaust”. Genaue Zahlen gibt es nicht, es wird aber des Öfteren die Zahl von Zehntausenden erteilter Visa erwähnt, von denen einige Tausend an jüdische Flüchtlinge vergeben wurden. Sousa Mendes’ Beitrag zum Überleben der Juden während des Holocaust kann kaum überschätzt werden. 

Sousa Mendes’ Taten erhalten schnell internationale Anerkennung. Die Internationale Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem verleiht ihm 1966 den Ehrentitel „Righteous Among the Nations” (Gerechter unter den Völkern), für nichtjüdische Einzelpersonen, die unter nationalsozialistischer Herrschaft im Zweiten Weltkrieg ihr Leben einsetzten, um Juden vor dem Holocaust zu retten. In Portugal dauert es bis zur Nelkenrevolution 1974 - dem Militärputsch gegen die autoritäre Diktatur -, bevor seine Taten auch dort anerkannt werden. 1987 entschuldigt sich der portugiesische Präsident offiziell im Namen der portugiesischen Regierung. Ein weiteres Jahr später beschließt das portugiesische Parlament einstimmig ein Gesetz, das Aristides de Sousa Mendes postum zum Botschafter befördert und seinen Nachfahren Schadensersatz gewährt. 

Porträt eines Mannes

Bernard Deutsch und seine Familie fliehen 1940 aus Antwerpen. Mit dem Visum von Sousa Mendes gelingt es ihnen, nach Portugal und schließlich auch nach New York zu gelangen.
(Foto: FelixArchief Antwerpen)

Auf der Flucht aus dem Kriegsgebiet: die Familie Deutsch

Unter den vielen Flüchtlingen, die im Sommer 1945 in Südfrankreich stranden, befindet sich auch die jüdische Familie Deutsch aus Antwerpen. Vier der fünf Söhne der Familie arbeiteten vor dem Krieg in der Antwerpener Diamantenindustrie.  

Genau wie viele andere entscheidet sich auch die Familie Deutsch im Mai 1940 für die Flucht nach Portugal. Sie erreicht Südfrankreich und stößt dort auf die geschlossene spanische Grenze. Die spanische Diktatur unter der Leitung Francos lässt keine Flüchtlinge zu, ist aber dazu verpflichtet, Flüchtlinge mit einem Visum für Portugal mit der Bahn oder im Privatwagen nach Portugal durchfahren zu lassen. Dank eines Visums für Portugal von Sousa Mendes aus Bordeaux gelingt es der Familie Deutsch schließlich, Portugal zu erreichen, aber auch dort drängt die Zeit: Ein Aufenthalt in Portugal ist nämlich nur vorübergehend möglich.
 

Mann mit Skulptur

Der Maler Carol Deutsch beschließt, im besetzten Belgien zu bleiben. 1943 wird er zusammen mit seiner Frau von den Besatzern verhaftet und deportiert. 
Foto: Sammlung Mu.ZEE Oostende

Das Regime unter der Leitung von António Salazar betreibt seit einiger Zeit eine besonders strenge Flüchtlingspolitik. Demzufolge dürfen Konsuln – und somit auch Sousa Mendes – nicht länger staatenlosen oder jüdischen Personen, die nicht in der Lage sind zu beweisen, dass sie in ihr Heimatland zurückkehren können, selbstständig Visa gewähren. Dass sich Portugal im Sommer 1940 trotzdem zu einem Zufluchtsort für Tausende von Kriegsflüchtlingen entwickelt, ist u. a. der Entscheidung eines Mannes zu verdanken: Aristides de Sousa Mendes.

Die Familie Deutsch in Porto muss weiter der Ungewissheit trotzen und warten. Sie haben zwar alle ein gültiges Visum für eine dieser Bestimmungen, die Plätze auf den Schiffen und Flugzeugen sind jedoch begrenzt und sehr teuer. Mit Hilfe von Verwandten gelingt es Bernard Deutsch und seiner Familie dennoch, in die USA zu gelangen. Sie nehmen das griechische Schiff Nea Hellas und kommen am 12. September 1940 - d. h. genau vier Monate nach Beginn ihrer Flucht - in New York an. Sie haben Glück. Einer der fünf Brüder - Carol Deutsch - beschließt, nicht zu fliehen. Ihm widerfährt ein anderes Schicksal. Er zieht noch vor dem Krieg nach Oostende und landet dort in den Künstlerkreisen um James Ensor. Carol Deutsch heiratet die ebenfalls geflüchtete Fela und bekommt mit ihr eine Tochter. Aufgrund wachsender antisemitischer Maßnahmen der Besatzer beschließt die kleine Familie unterzutauchen. Im September 1943 werden Carol und seine Frau verhaftet und am 20. September von der Kaserne Dossin aus nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Fela wird dort für medizinische Experimente ausgewählt. Ihr Schicksal ist unbekannt. Carol wird zuerst in das Konzentrationslager Sachsenhausen und dann nach Buchenwald gebracht. Er stirbt vor Entbehrung am 20. September 1944. Seine Tochter überlebt versteckt in Belgien den Krieg.   

Das Schicksal der Familie Deutsch zeigt, wie sich die Entscheidung einer einzelnen Person auf Leben und Tod auswirken kann. Ohne das mutige Engagement Aristides de Sousa Mendes’ wäre wahrscheinlich der gesamten Familie Deutsch und vielen anderen das gleiche Schicksal wie Carol und seiner Frau widerfahren.  
 

Lesen Sie mehr über Aristides de Sousa Mendes und die Menschen, die ein Visum vom ihm bekamen. Durch Nachforschungen im FelixArchief Antwerpen ist es der Sousa Mendes Foundation gelungen, einige dieser Personen zu identifizieren.  

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