1. September 1939
Beginn des Zweiten Weltkriegs
Am 1. September 1939 greift Nazi-Deutschland Polen an. Einige Tage später erklären Großbritannien und Frankreich Adolf Hitler und dem Deutschen Reich den Krieg. Am 10. Mai marschiert die deutsche Wehrmacht in Belgien, den Niederlanden, Luxemburg und Frankreich ein. Die Monate zwischen September 1939 und dem Einmarsch bezeichnet man als „Sitzkrieg”.
10. Mai 1940
Die ersten Bombenangriffe auf Antwerpen
Bomben der Luftwaffe treffen den Flughafen in Deurne. Auch die psychiatrische Einrichtung Sint-Amadeus wird getroffen. Es gibt eine Reihe von Todesopfern unter der Zivilbevölkerung.
13. Mai 1940
Die Deportierten im Mai 1940
Auch in Antwerpen lässt die belgische Regierung zum Zeitpunkt des deutschen Einmarsches verdächtige Personen verhaften. Es handelt sich dabei nicht selten um Ausländer (Deutsche und Osteuropäer), Kommunisten und sogar Antifaschisten. Aber auch einige prominente Nationalsozialisten, Rexisten und radikale flämische Nationalisten gehören dazu. Am 13. Mai werden im Antwerpener Gefängnis in der Begijnenstraat u. a. August Borms, René Lagrou, René Lambrichts, Jan Timmermans und Ward Hermans abgeholt. Letztere kehren wenig später nach Antwerpen zurück, während die jüdischen Deportierten meist weiterhin in südfranzösischen Lagern gefangen bleiben.
14.-15. Mai 1940
Wiederholt sich 1914? Antwerpen auf der Flucht
Mit den schrecklichen Ereignissen des Ersten Weltkriegs noch frisch im Gedächtnis fliehen viele Antwerpener vor der Kriegsgewalt. Auch der sozialistische Bürgermeister Camille Huysmans verlässt zusammen mit drei anderen Schöffen die Stadt und begibt sich auf den Spuren der Regierung und anderer Parlamentarier über Frankreich nach London. Der katholische Hafenschöffe Leo Delwaide übernimmt sein Amt.
18. Mai 1940
Besetzte Stadt
Die deutschen Truppen besetzen Antwerpen. Die Stadt ergibt sich kampflos. Die Antwerpener versuchen, ihr tägliches Leben unter der Militärbesatzung fortzusetzen. Einfach ist das sicher nicht. Von einer freien Presse kann nicht mehr die Rede sein. Mancherorts wehen Nazifahnen. Deutsche Soldaten tauchen im Straßenbild auf. Die Freiheit ist stark eingeschränkt.
28. Mai 1940
Die Kapitulation
Nach 18 Tagen ergibt sich die belgische Armee unter der Leitung von König Leopold III.. Die vom König angeordnete Kapitulation führt zu Spannungen mit der Regierung, die den Kampf noch weiter fortsetzen will. Die Deutschen besetzen inzwischen Belgien und richten eine Militärverwaltung ein. Die belgische Kolonie Kongo wird nicht besetzt.
Sommer und Herbst 1940
Widerstand
Bereits sehr schnell geht aus kleinen Widerstandsaktionen hervor, dass einige Antwerpener es ablehnen, sich der deutschen Herrschaft zu unterwerfen. So gelingt es dem Antwerpener Geschäftsmann Louis Pighini schon am 18. Mai, die Naziflagge von der Kathedrale zu entfernen. Wieder andere unternehmen kleine Sabotageakte und zerstören beispielsweise die Telefonlinien der Besatzer. Auch in symbolischen Augenblicken - wie am Nationalfeiertag oder am 11. November - finden Akitonen statt. Einige Antwerpener stecken sich belgische Fähnchen an oder legen Blumen beim Denkmal von Albert I., König der Belgier im Ersten Weltkrieg, nieder. Deutsche Plakate in der Stadt warnen vor Repressalien.
Zweite Maihälfte 1940
Die fremde Besatzungsmacht richtet sich ein
Die deutsche Militärverwaltung und dazugehörige Polizeidienste wie die Sicherheitspolizei SD (Della Faillelaan und später auch Koningin Elisabethlei) richten sich in der Stadt ein. Die tägliche Verwaltung übernimmt die Feldkommandantur 520 (Pelikaanstraat und später Meir). Es wird auch ein Stadtkommissar eingesetzt, der gute Beziehungen zum Rathaus und Bürgermeister Leo Delwaide unterhält. Die Zusammenarbeit verläuft reibungslos.
Anfang Juni 1940
Das tägliche Brot
Das Problem der Lebensmittelversorgung hat die bei weitem größten Auswirkungen auf das tägliche Leben im besetzten Antwerpen. Bereits schnell herrscht großer Mangel an bestimmten Produkten. Genau wie anderswo gibt es ab Ende Mai 1940 auch in Antwerpen Lebensmittelmarken. Die Lebensmittel werden rationiert und der Verkauf strengen Vorschriften unterworfen. Marken und Lebensmittelskarten, die von der Stadt und anderen Hilfsorganisationen verteilt werden, gelten 5 Jahre als kostbares Gut. Sie sind zwar kein Zahlungsmittel, beweisen aber, dass man Recht auf ein bestimmtes Produkt hat. Als zentrale Abholstelle dient der Stadtfestsaal auf der Meir. Dort herrscht oft ein furchtbares Gedränge.
15. Juli 1940
Der freiwillige Arbeitsdienst
Um der hohen Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken, versuchen die Besatzer belgische Arbeitskräfte im deutschen Kriegsdienst einzusetzen. Ab Juli 1940 werden auch Antwerpener dazu aufgerufen, „freiwillig” in Deutschland zu arbeiten. Man versucht auch, Arbeiter mit höheren Löhnen und attraktiven Arbeitsbedingungen zu locken. Einige sehen kaum einen anderen Ausweg, um zu überleben. Andere weichen schließlich dem Druck der Arbeitsämter, die sie rekrutieren wollen. Am 15. Juli fährt der erste Konvoi mit 1000 Antwerpener Arbeitern im Hauptbahnhof ab. Vier Monate später sind es schon 50 000.
Augustus 1940
Kollaborateure ergreifen die Macht
Jan Grauls wird zum Gouverneur der Provinz Antwerpen ernannt. Er ersetzt den nach Frankreich ausgewichenen Georges Holvoet. Offiziell ist Grauls kein Mitglied einer bestimmten politischen Partei. In der Praxis steht er jedoch der Neuen Ordnung wohlwollend gegenüber. Er unterstützt auch (auf eher gemäßigte Weise) die Kollaborationspolitik des Flämischen Nationalverbands. Diese flämisch-nationalistische Partei, die kurz vor dem Krieg 12,5 % der Flamen gewählt hatten, entscheidet sich schon zu Kriegsbeginn resolut für die Kollaboration mit der Besatzungsmacht. Ihre Mitglieder streben wichtige öffentliche Ämter an. 1942 wird Grauls Bürgermeister von Groß-Brüssel. Das überzeugte VNV-Mitglied Frans Wildiers übernimmt sein Amt als Gouverneur der Provinz Antwerpen.
Oktober 1940
Die ersten antijüdischen Maßnahmen
In der Stadt lebt eine große jüdische Gemeinschaft. Die meisten sind Ausländer. In den Jahren vor dem Krieg wuchs diese Gruppe noch durch Flüchtlinge aus Nazi-Deutschland und Osteuropa, die vor Gewalt und Verfolgung flohen. Auch sie werden von den ersten antijüdischen Maßnahmen getroffen. Dabei handelt es sich u. a. um das Verbot von rituellen Schlachtungen und die Entlassung von Juden aus öffentlichen Ämtern. Außerdem soll verhindert werden, dass Juden, die während des Einmarsches geflohen waren, zurückkehren. Jüdische Einwohner über 15 Jahre müssen sich vor Dezember 1940 bei der Stadtverwaltung in ein Judenregister eintragen. Die Stadtverwaltung arbeitet aktiv mit und ruft die jüdischen Einwohner dazu auf, sich einzutragen. Die Stadt ist für die Registrierung zuständig. Polizeibeamte helfen beim Erstellen der Listen.
29. Oktober 1940
Winterhilfe
Die Lebensmittel- und Hilfsorganisation „Winterhilfe” (Winterhulp - Secours d’Hiver) eröffnet heute ihre Lokale in Antwerpen, lautet die „offizielle” Antwort des Gesundheitsministeriums auf die mangelhafte Versorgung. Die deutsche Militärverwaltung unterstützt die Organisation, die Zweigstellen im ganzen Land hat und eng mit den örtlichen Behörden vernetzt ist. Auch in Antwerpen verteilt sie an vielen Stellen in der Stadt Lebensmittel.
Dezember 1940
Deportationen nach Limburg
Zwischen Ende Dezember und Anfang Februar fahren 9 Züge vom Bahnhof Antwerpen-Süd in Richtung Limburg. Darin befinden sich gut 3 000 Antwerpener Juden und Ausländer. Die Besatzer verpflichten sie dort zur Zwangsarbeit. Die Antwerpener Polizei überbringt die Ausweisungsbefehle und begleitet sie zu den Zügen.
Herbst 1940, Frühjahr 1941
„Flamenpolitik”
Flämische Kriegsgefangene kehren aus Deutschland zurück. Im Rahmen ihrer Flamenpolitik verleihen die Deutschen diese Gunst ausschließlich Flamen, aber nicht Walen. Sie hoffen dadurch auf Unterstützung der Flämischen Bewegung und der Bevölkerung.
Ende 1940
Marcel Louette und der Beginn der Weißen Brigade
In Antwerpen schließt sich unter der Leitung des Lehrers Marcel Louette eine kleine Widerstandgruppe, die spätere Weiße Brigade, zusammen, die sich mit diesem Namen von den „schwarzen” Kollaborateuren distanzieren will. Die Gruppe besteht aus Hafenarbeitern, Lehrern und Polizeibeamten, die geheime Zeitungen schreiben, versuchen, Informationen zu sammeln, und Listen mit den Namen der Kollaborateure anlegen. Viele Mitglieder der Organisation werden verhaftet. Im Mai 1944 wird auch Louette von den Besatzern gefasst und über Breendock – wo er gefoltert wird – nach Sachsenhausen-Oranienburg deportiert. Er überlebt das Lager.
Ende 1940, Anfang 1941
Arbeiten im Dienst des „Reiches”
Die Militärverwaltung übernimmt die Leitung belgischer Fabriken und richtet auch selbst Produktionsstätten ein. Alles geschieht im Dienst der deutschen Kriegsindustrie. Ende 1940 bauen die Deutschen in Mortsel die alte Minerva-Fabrik zu dem Flugzeugmotorenwerk „Erla” um. Am Albertkanal in Merksem laufen ab Anfang 1941 die Textilmaschinen der „Reitz Uniformwerke” auf vollen Touren.
17. Januar 1941
Unzucht
Die Anwesenheit der deutschen Soldaten sorgt für einen Anstieg der Prostitution. Deutsche und belgische medizinische Dienste verstärken die Überwachung der „Unzucht” durch die Einführung zusätzlicher Kontrollen und Verpflichtungen.
Frühling 1941
Sozialer Unfrieden
Eine Brotkrise, sowie der steigende Lebensmittelmangel führen zu sozialen Spannungen. Am 23. März zieht eine Gruppe von Arbeiterfrauen mit einer schwarzen Flagge zum Rathaus in Berchem. Diese Aktion ist ein Vorbote größerer Proteste der Antwerpener Bevölkerung auf dem Grote Markt am 21. Mai. Mit aufgehetzt durch militante Kommunisten verlangen Arbeiterfrauen aus dem 5. und 11. Bezirk mehr und bezahlbareres Brot, sowie schärfere Preiskontrollen. Die Lebensmittelpreise waren inzwischen schon über 75 % gestiegen. Auf dem Schwarzmarkt sind sie noch viel höher. Bürgermeister Delwaide hat keine andere Wahl: Er muss etwas unternehmen. Einige Tage später empfängt er eine Delegation der Frauen im Rathaus.
Mitte April 1941
Antisemitische Gewalt
Nach einigen kleineren Aktionen gegen jüdische Einwohner an den vergangenen Tagen kommt es am Ostermontag (14. April) zu öffentlicher Gewalt im „jüdischen” 6. Bezirk in der Nähe des Hauptbahnhofs. Nach der Vorführung des Propagandafilms Der ewige Jude, die von der radikal antijüdischen Gruppe Volksverwering veranstaltet wurde, entgleist die Masse. Mindestens 200 Antwerpener und Deutsche sind präsent. Sie zerstören das Haus eines Rabbiners, legen Feuer in den Synagogen in der Van Den Nestlei und der Oostenstraat, schlagen dort alles kurz und klein und verhindern die Löscharbeiten der Feuerwehr. Im Judenviertel werden viele Fenster eingeworfen und Sachen zertrümmert. Übrig bleibt eine Spur der Zerstörung.
31. Mai 1941
Neue antijüdische Verordnungen und Maßnahmen
Juden sind jetzt dazu verpflichtet, ihre Immobilien, sowie Bankkonten und andere Wertpapiere bei den deutschen Behörden anzugeben. Jüdische Unternehmen werden unter deutsche Verwaltung gestellt. Rund zwei Monate später entzieht die Antwerpener Anwaltsvereinigung 17 jüdischen Kollegen und Referendaren die Zulassung.
22. Juni 1941
Operation Barbarossa: Deutschland greift die Sowjetunion an
Jetzt sind die Kommunisten der Feind. Die deutsche Repression im besetzten Belgien ist gnadenlos (Operation Sonnenwende). Auch in Antwerpen gibt es eine Menge Verhaftungen. Die Kommunisten schließen sich im Untergrund zusammen. Inzwischen beginnen deutschfreundliche kollaborierende Gruppen mit der Rekrutierung (flämisch nationaler) Männer für den Kampf an der Ostfront.
Sommer 1941
„Nichts für Hitler, unser Essen gehört uns.”
In der Stadt werden geheime Zettel verteilt. Sie stammen von der kommunistisch inspirierten Widerstandsorganisation Unabhängigkeitsfront – „Onafhankelijkheidsfront” (OF) -, die in Antwerpen allmählich an Einfluss gewinnt und sozialen Unfrieden stiftet. Sie verbreitet auch heimlich das Blättchen „België vrij” (Belgien frei)
Juli 1941
Die Antwerpener Ordnungsdienste
Hauptkommissar Jozef De Potter, der Anfang des Krieges geflohen war, kehrt zurück und übernimmt den Posten von Gustaaf Zwaenepoel, der ihn vertreten hatte. Ein halbes Jahr später tritt auch der katholische Magistrat Edourd Baers sein neues Amt am. Er ersetzt den Anwalt des Königs De Schepper, der aufgrund seines Alters sein Amt niederlegen muss.
20. Juli 1941
Treffen im Sportpalast
Staf De Clercq, der Leiter des VNV, spricht zu der Menge, die sich im Sportpalast versammelt hat. Er ruft die jungen Antwerpener dazu auf, in der flämischen Einheit an der Ostfront zu kämpfen.
21. Juli 1941
Unruhen in der Stadt
Auch 1941 entstehen an Feiertagen wie dem 21. Juli und dem 11. November wieder Unruhen. Nachts werden V(ictory)-Zeichen auf Bäume und Hauswände gemalt. Es kommt zu Schlägereien zwischen belgischen Patrioten mit Schleifen und Fähnchen und Gruppen von Kollaborateuren (VNV, Vlaamse Wachters, Mitglieder der SS,...).
29. Juli 1941
Ab jetzt steht auf den Personalausweisen der Juden die Angabe „Jood-Juif”, d. h. Jude.
August 1941
Schöffe E. Sasse wird abgesetzt
Die deutsche Militärverwaltung lässt den liberalen Schöffen Eric Sasse absetzen. In der Stadt wird geflüstert, sein Sohn habe sich dem Widerstand angeschlossen. Die Besatzer haben es aber auch aufgrund seiner Mitgliedschaft bei den Freimaurern auf ihn abgesehen. Anfang des Sommers 1940 hatten deutsche Polizisten die Antwerpener Freimaurerlogen durchsucht und 29 Kisten mit Büchern und Kostbarkeiten geraubt, die sie nach Berlin bringen ließen. Ende 1941 lösen die Besatzer die belgischen Freimaurerlogen auf.
November 1941
Widerstandsblättchen
Die Pioniere der Antwerpener Widerstandspresse, die Brüder Crutzen, fallen zusammen mit einigen Kameraden der deutschen Sicherheitspolizei in die Hände. Sie veröffentlichen seit Januar 1941 die geheime Zeitung „Steeds Vereenigd/Unis Toujours”. Einer der beiden Brüder stirbt bei seiner Deportation nach Deutschland in Siegburg. Die Zeitung selbst erscheint ab 1942 wieder unter der Schirmherrschaft der Weißen Brigade.
25. November 1941
Eine neue jüdische Organisation
Auf Befehl der Besatzer wird die Jüdische Vereinigung in Belgien (VJB) gegründet. Alle jüdischen Einwohner sind dazu verpflichtet, Mitglied zu werden. Die Tagesgeschäfte dieser „Judenräte” übernehmen jüdische Honoratioren. Die Arbeit steht unter Aufsicht des Innenministeriums und der Besatzer. Seit einigen Monaten hat dort der VNV-Kollaborateur Gerard Romséé als Generalsekretär das Sagen. Er leitet die gesammelten Informationen an die Behörden der Militärverwaltung weiter.
1. Dezember 1941
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Die Besatzer ordnen an, schulpflichtigen jüdischen Kindern den Besuch öffentlicher Schulen zu untersagen. Sie dürfen in Zukunft keine nichtjüdischen Schulen mehr besuchen.
7. Dezember 1941
Die USA treten in den Krieg ein
Japan, ein Verbündeter Deutschlands, bombardiert die amerikanische Marinebasis Pearl Harbor. Die USA erklären Japan den Krieg und werden auf diese Weise am Zweiten Weltkrieg beteiligt.
Ende 1941
Niederlagen des keimenden Widerstands
Zwischen Februar und April 1941 gelingt es dem Spion Emmanuel Hobben im Auftrag der Briten mehrmals, Funkkontakt mit London (Netzwerk Williams) aufzunehmen. Er will auf diese Weise Informationen über den Antwerpener Hafen an die Alliierten weiterleiten, was ihm aber kaum oder gar nicht gelingt. Die Gruppe um Hobben wird von den Deutschen enttarnt. Das Urteil ist hart. Die Besatzer verhaften und verurteilen 26 Mitarbeiter aus der Region Antwerpen. 10 von ihnen, darunter auch Hobben und einige Verfasser der Widerstandszeitung Le Clan d’Estin werden ein Jahr später in Berlin standrechtlich erschossen.
Winter 1941-1942
Bittere Kälte
Zwischen Dezember 1941 und März 1942 friert es ununterbrochen. Der Winter ist unheimlich streng und kalt. Antwerpen friert und zittert vor Kälte. Kohlen sind Mangelware. Die Menschen versammeln sich in öffentlichen Wärmehallen der Stadt. Aufkommende Widerstandsgruppen wie die Unabhängigkeitsfront nutzen die Gelegenheit, um die Unzufriedenheit über das Besatzungsregime zu schüren. Überall wächst das Gemurre. Die Klagen richten sich in erster Hinsicht gegen die Besatzer, aber auch gegen den König, die Briten und den Krieg als solches.
1. Januar 1942
Offizielle Gründung von Groß-Antwerpen
Die deutschen Befehlshaber in Antwerpen hatten bereits im Sommer 1940 mit den Vorbereitungen begonnen, waren dabei aber auf Widerstand aus Brüsseler Regierungskreisen gestoßen, die zurecht anmerkten, dass es eine völlig illegale Maßnahme sei, die Vororte mit der Stadt zu fusionieren. Der Antwerpener Stadtrat und insbesondere Bürgermeister Leo Delwaide sind aber von den Plänen überzeugt und setzen sie durch. Auch die großen Unternehmen im Hafen und anderswo begrüßen die Entscheidung. Mitte September steht die Entscheidung im Staatsblatt. 5 Monate später werden die Vororte Berchem, Borgerhout, Deurne, Hoboken, Merksem, Mortsel, Wilrijk und ein Teil von Ekeren Teil der Fusion. Die Gemeinderäte und auch die Gemeinden selbst werden aufgelöst.
1. Januar 1942
Eine neue Stadtverwaltung für Groß-Antwerpen
In dem neuen Stadtrat erhalten neben den 8 Mitgliedern der Alten Ordnung auch 5 Mitglieder der Neuen Ordnung einen Sitz. U. a. die ehrgeizigen VNV-Mitglieder Jan Timmermans und Rob Van Roosbroeck gehören dazu. Die deutschen Besatzer schenken weiterhin Delwaide als Bürgermeister ihr Vertrauen. Seine Autorität ist legitim und die Zusammenarbeit verläuft ohne nennenswerte Zwischenfälle.
3. Januar 1942
Funkverbot
Es ist verboten, Radio zu hören. Die Besatzer hoffen, auf die Weise zu verhindern, dass sich die Leute illegale Programme und englische Sender anhören.
23. Januar 1942
Eine neue Verhaftungswelle im Hafen
Die SIPO-SD tritt hart gegen Kommunisten auf. Im Hafen kommt es ab 1942 zu zahlreichen Verhaftungen. Arbeiter, die in den Schiffswerften von Mercantile oder Beliard und in der Fabrik von Inter-Escaut arbeiten, verlieren dabei ihr Leben. Es werden insgesamt 64 Leute verhaftet, von denen mindestens 25 sterben.
6. März 1942
Beginn der Verpflichtung zur Zwangsarbeit in Belgien
Die Antwerpener können vorläufig nur zum Arbeitseinsatz auf belgischem Grundgebiet verpflichtet werden. Aber wie länge wird es noch dauern, bevor die Besatzer auch Menschen nach Deutschland schicken? Theoretisch kann jeder Antwerpener jetzt dazu verpflichtet werden, irgendeine Arbeit anzunehmen. Das im April 1941 gegründete belgische Reichsarbeitsamt (RAA) mit Hauptsitz am Cockerillkaai in der Antwerpener Südstadt beteiligt sich an der praktischen Durchführung. Es wird von Befürwortern der Neuen Ordnung geleitet. Die Besatzer überwachen ihre Arbeit. Auch die Bürgermeister werden dazu aufgefordert, Listen mit Namen von Arbeitslosen und anderen „asozialen Elementen” wie u. a. Schmugglern und Arbeitsverweigerern zur Verfügung zu stellen.
März - April 1942
Neue Maßnahmen zur Überwachung der wirtschaftlichen Aktivitäten der Juden
Sowohl Rohdiamanten, als auch geschliffene Steine müssen bei der „Diamantenkontrolle” der Besatzer angegeben werden. Alle jüdischen Unternehmen, die sich der Diamantenkontrolle angeschlossen haben, müssen bald ihre Arbeit einstellen. Diese Maßnahme setzt einen Schlussstrich unter die jüdischen Aktivitäten im Antwerpener Diamantenhandel.
22. April 1942
Deutsche Juden im besetzten Belgien verlieren ihre Nationalität
Oft handelt es sich dabei um Juden, die sich seit den 1930er Jahren in Belgien aufhalten. Sie sind auf der Flucht vor der Gewalt der Nationalsozialisten in Deutschland.
1. Mai 1942
Tag der Arbeit
Kommunistische Widerstandskämpfer (Partisanen) planen an „ihrem” Tag Aktionen. Sie werfen einige Granaten auf drei Häuser von prominenten Mitgliedern des VNV.
8. Mai 1942
Die Verpflichtung der Juden zur Zwangsarbeit
Zwischen Mai und September 1942 werden Juden zum Arbeiteinsatz in Nordfrankreich verpflichtet. Die Arbeitsämter werben die Juden an. Die örtlichen Polizeidienststellen helfen bei der Verteilung der Einsatzbefehle. Dieselben Antwerpener Polizisten begleiten auch die zur Zwangsarbeit verpflichteten Juden zu den Zügen. Sie arbeiten in Arbeitslagern der Organisation Todt am Atlantikwall und an anderen militärischen Bauprojekten der Deutschen. Die Arbeitsumstände sind erbärmlich. Ende Oktober desselben Jahres werden die Arbeitslager evakuiert. Die meisten dieser „OT-Juden“ - Historiker schätzen rund 80 % von ihnen - werden schließlich über Mechelen nach Auschwitz deportiert.
11.-15. Juni 1942
Einführung des Judensterns
Ab 11. Juni können die Antwerpener Juden in den Schulen in der Provinciestraat, der Belgiëlei und der Grote Hondstraat ihren Judenstern abholen. Die Besatzer haben es angeordnet, aber die Stadtverwaltung übernimmt die Verteilung und Registrierung. Alle Juden ab 6 Jahre müssen so einen Judenstern tragen. Wer seinen Stern nicht abholt, wird von der Stadtverwaltung in einer Liste notiert. Die zuständigen Dienststellen teilen insgesamt 15 000 Judensterne aus.
Mitte Juli 1942
Neue antijüdische Maßnahmen
Ab Mitte Juli ist es den Juden in Antwerpen auch untersagt, sich in städtischen Parks, Kinos oder Theatern aufzuhalten. In der Straßenbahn dürfen sie nur die Plattform am Anhänger benutzen. Außerdem müssen sie zwischen 20 und 7 Uhr zu Hause bleiben. Sie dürfen auch keine medizinischen Berufe mehr ausüben. Ab Mitte August können Juden sich nur noch im St. Erasmus-Krankenhaus in Borgerhout behandeln lassen.
22. Juli – 14. August 1942
Im Vorfeld der Razzien
Die Antwerpener Abteilung der Jüdischen Vereinigung in Belgien (VJB) erhält den Auftrag, den Juden Arbeitseinsatzbefehle auszuhändigen. Darin steht, dass sie sich in der Kasere Dossinin in Mechelen zum Arbeitseinsatz melden sollen. Die jüdische Gemeinschaft hält sich jedoch kaum daran.
22.-23. Juli 1942
Die erste Judenrazzia
An diesem Tag finden in Antwerpen und Umgebung die ersten Zwangsverhaftungen und Deportationen von Juden statt. Deutsche Beamte der Sicherheitspolizei nehmen in diesen Sommertagen ein paar hundert Juden mit, die aus Brüssel im Hauptbahnhof ankommen. Eine ähnliche Aktion findet auch nicht weit vom Bahnhof entfernt in der Pelikaanstraat statt.
13.-14.-15.-16. August 1942
Die zweite und dritte Judenrazzia
In der Nacht vom 13. auf den 14. August laden deutsche Polizisten 206 Juden auf Lastwagen, darunter auch 53 Kinder. Es trifft dabei vor allem Juden aus Osteuropa.
Einen Tag später findet wieder eine großflächige Judenrazzia statt. Zum ersten Mal arbeitet auch die örtliche Polizei öffentlich mit. Antwerpener Polizeibeamte helfen bei Straßensperrungen und begleiten die Juden zu den Lastwagen. Deutsche Polizisten stürmen in die Häuser, schleifen die Bewohner brutal nach draußen und schaffen sie oft mit Gewalt auf die Lastwagen. Die Razzia findet an zwei Orten statt: Die erste Razzia wird zwischen der Lange Kievitstraat, der Provinciestraat, der Somersstraat und der Van Immerseelstraat durchgeführt. Eine zweite Serie von Aktionen findet in der Bleekhofstraat, der Van der Meydenstraat, der Plantin en Moretuslei und der Bouwmeestersstraat statt. Die Aktionen dauern die ganze Nacht. Schätzungsweise rund 1 000 Juden werden mitgenommen. Bürgermeister Delwaide und Generalanwalt Baers hüllen sich in Schweigen und reagieren nicht auf die Ereignisse, obwohl sie durch die Polizeiprotokolle offiziell informiert werden.
27. August 1942
Sabotage
Die Deutschen schmieden den ganzen Tag große Pläne für eine neue Judenrazzia, die jedoch im letzten Augenblick abgeblasen wird. Anscheinend haben einige Antwerpener Polizisten die Juden informiert. Es wurden auch Warnzettel gefunden. Während einige Polizisten deutlich bestochen wurden, handeln andere aus gutem Gewissen. Der Unterschied ist nicht immer ganz deutlich. Jüdische Einwohner fliehen oder tauchen unter.
28.-29. August 1942
Die vierte Judenrazzia
Als Strafe für die Sabotage am Vortag erhält die Antwerpener Polizei jetzt eine aktivere Aufgabe. Sie muss selbst 1000 Juden aufgreifen. Polizisten aus dem 7. Bezirk, Deurne, Borgerhout und Berchem erhalten diesen Auftrag. Es ist für die Kommissare nicht einfach, genug Polizisten dafür zu finden. Trotzdem sagt der Hauptkommissar De Potter ohne mit der Wimper zu zucken, der Befehl müsse ausgeführt werden. Mancherorts verweigern Polizisten die Mitarbeit, wieder andere drücken ab und zu ein Auge zu. Sie erhalten Verstärkung von anderen Einheiten. Man vereinbart, in jedem Viertel 250 Juden aufzugreifen. Wer diese Anzahl nicht schafft, sucht in anderen Vierteln weiter. So ziehen Polizisten aus Deurne in den 6. Bezirk, um ihre Auflagen zu erfüllen. Die Aktionen dauern die ganze Nacht. Die aufgegriffenen Juden werden in Schulen in der Grote Hondstraat (Zurenborg) und der Vinçottestraat (Borgerhout) oder im Cinema Plaza (Gallifortlei, Deurne) gesammelt. Sie stehen Todesängste aus. Am nächsten Vormittag werden sie auf Lastwagen ins „Transitlager” Kaserne Dossin gebracht. Von dort geht die Reise weiter ins Vernichtungslager Auschwitz. Für die örtliche Judenabteilung und die Antwerpener Judenjäger ist die Operation gelungen. Sie reiben sich die Hände. Die zuständigen Antwerpener Politiker und Behörden reagieren wieder nicht.
1. September 1942
Der sozialistische Schöffe Adolf Molter tritt zurück
Offiziell gibt er „Gewissengründe” an. Tritt er zurück, weil mit den Deportationen der Juden nicht einverstanden ist? Er lässt sich schon seit Wochen im Stadtrat entschuldigen.
11.-12. September 1942
Die fünfte Judenrazzia
An diesem Tag rechnen die Besatzer nicht mit der Mitarbeit der Antwerpener Polizei. Einige Polizisten unterstützen ihre deutschen Kollegen aber trotzdem bei diesen Aktionen. Sie sammeln an verschiedenen Stellen in der Stadt Juden ein und laden sie auf Lastwagen. Mancherorts werden sie einfach in den Straßen aufgegriffen. Diese Razzia verläuft deutlich nicht so systematisch und eher willkürlich, ist aber trotzdem nicht weniger erfolgreich. Allein an diesem Tag werden über 700 Juden abtransportiert. Die Aktionen werden in den folgenden Tagen, Wochen und Monaten fortgesetzt. Es gibt jetzt auch immer mehr flämische Mitglieder der SS, die sich an der Suche nach Juden beteiligen. Andere Juden werden verraten.
Sommer und Herbst 1942
Unterstützung der Juden
Die gibt es bereits zu Zeiten der großen Razzien. Es handelt sich dabei hauptsächlich um unstrukturierte und nicht selten individuelle Initiativen von Nachbarn, Bekannten und Freunden, die den Verfolgten Unterkünfte oder die Betreuung ihrer Kinder anbieten und ihnen helfen, unterzutauchen oder zu fliehen. Wieder andere versuchen, finanziell oder mit Lebensmitteln ihr Scherflein beizutragen. Erst später entstehen auf verschiedenen Ebenen besser organisierte Initiativen.
20. September 1942
Antwerpen: Bollwerk der Kollaboration
Der VNV, De Vlag oder andere pro-deutsche Gruppen sind in Antwerpen stark vertreten. Obwohl ihre Mitglieder und Sympathisanten nur 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung ausmachen, veranstalten sie Treffen und marschieren deutlich sichtbar durch die Antwerpener Straßen. Am 20. September findet im Sportpalast wieder ein großes Treffen zu Ehren von Staf De Clercq statt. Er ist die absolute Nummer Eins des VNV, wenn auch nicht mehr lange. Kurz darauf stirbt er. Hendrik Elias wird der neue starke Mann. Auch er kommt regelmäßig nach Antwerpen.
6. Oktober 1942
Die Verpflichtung zur Zwangsarbeit in Deutschland
7 Monate später ist es dann doch so weit. In einer Verordnung wird die Verpflichtung zur Zwangsarbeit in Deutschland angekündigt. Für viele Antwerpener ist das die am meisten gehasste Entscheidung der Besatzungsmacht. Es kommt wieder zu Unruhen. Mit den grausamen Geschichten über die Zwangsarbeit in Deutschland während des Ersten Weltkriegs vor Augen entscheiden sich viele Antwerpener unterzutauchen. Wer das tut oder versucht, landet fast automatisch im Widerstand. Alle Männer zwischen 18 und 50 Jahren kommen für einen Arbeitseinsatz in Betracht. Verwerflich ist auch, dass einige Gruppen wie die Kollaborateure oder Arbeiter, die bereits in der Kriegsindustrie beschäftigt sind, von diesen Maßnahmen verschont bleiben.
20.-21. November 1942
Die Besatzer exekutieren Mitglieder des Widerstands
Der Schießstand am D’Herbouvillekaai (bei Hangar 9A) dient den Deutschen ab Juli dieses Jahres als Hinrichtungsort. Zeugen berichten in der Nachkriegszeit, dass dort ungefähr 130 Belgier hingerichtet wurden. In diesen Novembertagen erschießen die Besatzer 8 Antwerpener Widerstandskämpfer. Sie gehören zum Spionagenetz Stockmans, benannt nach Charles Stockmans, einem Antwerpener Industriellen und Druckermeister. Die Gruppe versuchte zwischen Dezember 1941 und Juni 1942 zu spionieren und Informationen an die Vertreter des freien Frankreichs in London weiterzuleiten. Sie rekrutierte u. a. Mitarbeiter bei der Compagnie Maritime Belge.
27. November 1942
Mord in der Brusselschestraat
3 Mitglieder des Widerstands töten den Polizisten und stellvertretenden Kommissar des 6. Bezirks Hendrik Selleslaghs. Er gilt als deutschfreundlich und Anhänger der Neuen Ordnung. Einige Wochen später kündigen die Besatzer Repressalien an. Als Vergeltung für den Mord werden 10 inhaftierte Kommunisten hingerichtet.
Ende 1942, Anfang 1943
Ein Wendepunkt im Kriegsverlauf
Das Schicksal wendet sich. Die militärischen Ereignisse in Nordafrika, im Mittelmeerraum und an der Ostfront haben tiefgreifende Folgen. Der deutsche General Rommel muss sich im ägyptischen El Alamein (Oktober-November 1942) geschlagen geben. In Stalingrad unterliegen die Deutschen den Russen (Februar 1943). Die Besatzungsmacht gerät unter Druck. Die Auswirkungen bekommen auch die Regierung in London und die lokalen Autoritäten in Antwerpen zu spüren.
3. Dezember 1942
Der Stadtrat protestiert
Der Stadtrat lässt die Besatzer wissen, dass er nicht an der Verpflichtung zur Zwangsarbeit mitarbeiten werde. Bürgermeister Delwaide weigert sich kategorisch, die Namen von Mitarbeitern der Stadtverwaltung mitzuteilen. Die Besatzer erstellen daraufhin selbst Listen und berufen sich dabei auf die Register der Standesämter. Schließlich verlangen sie im Januar-Februar 1943 von den verschiedenen städtischen Ämtern doch rund 530 Arbeitskräfte für den Einsatz in Deutschland. Der Stadtrat protestiert hauptsächlich gegen den großen Abzug von Arbeitskräften aus dem Hafen.
17. Dezember 1942
Neue Gesetzesbeschlüsse zur Bestrafung der Kollaboration
Auch die belgische Regierung im Exil analysiert die veränderte militärische Lage. Die Alliierten sind jetzt deutlich im Vorteil. Die Idee eines eventuellen Kompromissfriedens wird in London definitiv vom Tisch gefegt. In Regierungskreisen will man jetzt auch ein Signal in Richtung besetztes Belgien schicken und kündet einen Gesetzesbeschluss an, in dem die Strafen für politische Kollaboration verschärft werden. Diese Nachricht erhöht den Druck auf die belgischen Politiker in den besetzten Gebieten.
Ende 1942 – Mai 1943
Eine Spirale der Gewalt in Antwerpen
Seit der Niederlage bei Stalingrad und der Einführung der Zwangsarbeit steigt die Anzahl der Sabotageakte und (gewalttätigen) Aktionen der Widerstandskämpfer. Die Folge sind strenge Repressalien der Deutschen und Dutzende von Verhaftungen. Kollaborierende Gruppen organisieren ihrerseits Vergeltungsaktionen. Sie ziehen durch die Stadt und hinterlassen eine Spur der Zerstörung. Vor allem im März, April und Mai 1943 kommt es oft zu Gewalttätigkeiten.
8. Februar 1943
Ehemaliger Schöffe Eric Sasse ermordet
Ein bekanntes Opfer der steigenden Gewalt ist der ehemalige liberale Schöffe Eric Sasse. Die Täter stammen aus den Stoßtruppen unter der Leitung des flämischen SS-Sturmbandführers Robert Verbelen.
April 1943
Neue Verhaftungen
Die Spitze der kommunistischen Partei Flanderns - darunter auch ihr engagierter Sekretär Jef Van Extergem - wird in Antwerpen verhaftet, nach Breendonk gebracht und später ins Konzentrationslager deportiert. Van Extergem stirbt dort infolge langer Entbehrungen.
5. April 1943
Die Alliierten bombardieren Mortsel
Amerikanischer Bombenangriff auf Mortsel. Die Amerikaner wollen die deutsche Flugzeugmotorenfabrik ERLA treffen, verpassen aber ihr Ziel. Die Bomben fallen auf das Stadtzentrum von Mortsel (Oude God), die Fabrik Gevaert und eine Schule. Es sterben 936 Menschen, darunter 209 Kinder. Die deutsche Propaganda nimmt diesen Vorfall auf, um die Bombenangriffe der Alliierten in Misskredit zu bringen.
15. Mai 1943
Neue Luftangriffe der Alliierten
Flugzeuge der Alliierten bombardieren jetzt zum ersten Mal auch die Fabriken von Ford und General Motors, die für die deutsche Wirtschaft produzieren. Später im Juni und September dieses Jahres werden die Angriffe fortgesetzt.
8. Juni 1943
Das Haus des Bürgermeisters wird geplündert
Die kollaborierende Gruppe „Vlaams Legioen“ (Flämische Legion) sammelt Geld für die Angehörigen der Opfer des Bombenangriffs auf Mortsel. Leo Delwaide will sie aber nicht offiziell im Rathaus empfangen. Die Hitzköpfe lassen ihre Wut an seinem Haus samt Hausrat in der Vrijheidsstraat aus.
Zweite Hälfte 1943
Gründung des jüdischen Verteidigungskomitees
Auch die Juden selbst beginnen, sich zu organisieren, aber es ist ein mühsamer Prozess. In linksextremen Kreisen wird eine Widerstandsgruppe, das jüdische Verteidigungskomitee, gegründet. Es besteht bereits seit Sommer 1942 und schließt sich im Laufe des Krieges der Unabhängigkeitsfront an. Vor allem in Brüssel und Charleroi ist das Komitee sehr stark. In Antwerpen dauert es bis Ende 1943, bevor auch hier die erste vollwertige Abteilung das Licht der Welt erblickt. Sie besteht aus einem Zusammenschluss bereits bestehender Gruppen und organisiert Hilfe, Adressen zum Untertauchen, Lebensmittel und Geld. Die Protagonisten dieses jüdischen Widerstandskerns, der besser unter dem Namen Komitee zur Verteidigung der Juden bekannt ist, sind Abraham Manaster, Josef Sterngold und Leopold Flam.
3. und 4. September 1943
Razzia zur Aufspürung belgischer Juden: Aktion Iltis
Die letzte große Razzia der deutschen Polizei in Antwerpen. Sie findet im Rahmen der „Aktion Iltis” statt. Im Gegensatz zu den ersten Judenrazzien haben die deutschen Polizisten und ihre Mitarbeiter es jetzt auch auf belgische Juden abgesehen. Bis dato blieben sie von Deportationen verschont. Nach dieser Aktion erklären die Besatzer Antwerpen offiziell für „judenrein”. Historiker, die den Holocaust in Belgien untersuchen, sprechen heute über die „Antwerpener Besonderheit” und wollen damit sagen, dass die jüdische Bevölkerung in Antwerpen aus verschiedenen Gründen verhältnismäßig größeren Gefahren ausgesetzt war als anderswo in Belgien.
26. September 1943
Das 10-jährige Jubiläum des VNV
Der Leiter des VNV Hendrik Elias hält eine Rede auf dem Grote Markt. Es werden weder Kosten noch Mühen gescheut, Fahnen ausgetauscht und Paraden abgehalten.
14.-15. Januar 1944
Polizisten aus Deurne verhaftet
Die deutsche Sicherheitspolizei verhaftet in diesen Tagen 75 Polizisten des Polizeikorps Deurne. 43 landen in einem Konzentrationslager, 35 überleben es nicht. Ab Ende 1942 stellt sich eine zunehmende Anzahl von Polizisten auf die Seite des Widerstands. Sie unterstützen andere Widerstandskämpfer, verbreiten illegale Zeitungen und helfen Menschen dabei, unterzutauchen.
27. Januar 1944
Burgermeister Delwaide tritt zurück
Die deutschen Besatzer beanspruchen den Großen Saal des Rathauses, um dort ein Abschiedsfest für die flämischen Freiwilligen der Waffen-SS zu veranstalten. Der Bürgermeister ist der Meinung, der Saal sei nicht der richtige Ort für solche „politischen” Manifestationen. Infolgedessen tritt der „alte” Schöffe zurück. Historiker sind sich darüber einig, dass Delwaide diese symbolische Angelegenheit genutzt hat, um gegen Ende der Besatzung sein patriotisches Image aufzumöbeln. Die Mitarbeit an anderen „illegalen” Sachen war in den ersten Kriegsjahren weit weniger problematisch. VNV-Schöffe Jan Timmermans übernahm seinen Posten.
6. Juni 1944
D-Day
Die Alliierten (amerikanische, britische und kanadische Truppen unterstützt von kleineren belgischen, französischen, niederländischen, polnischen und norwegischen Einheiten) landen in der Normandie (Frankreich).
August 1944
Die Koloniale Hochschule als Bollwerk des Widerstands
Im August 1944 koordiniert Norbert Laude von der Kolonialen Hochschule aus verschiedene Widerstandszellen von u. a. des „Geheim Leger”. Sie sind sehr aktiv, geben Widerstands-Blättchen heraus, sammeln Informationen, helfen Menschen dabei, unterzutauchen,… Im August wird die Hochschule von den Deutschen entdeckt. Sie verhaften Norbert Laude und mehrere seiner Mitarbeiter. In der Hoffnung auf Informationen foltern sie Laude. Die Befreiung kommt gerade rechtzeitig. Laude entkommt mit knapper Not seiner Hinrichtung.
1. September 1944
Vormarsch der Alliierten
Die alliierten Truppen rücken durch Frankreich weiter vor. Am 1. September erreichen sie die belgische Grenze.
4. September 1944
Die Befreiung der Stadt Antwerpen
Es gelingt den Briten mit Hilfe der Widerstandskämpfer über Boom, sowie über die Rupel und den Kanal von Willebroek bis zur Stadt Antwerpen vorzudringen. Von besonderer Bedeutung bei der Überquerung des Kanals ist für die Briten die Unterstützung des ehemaligen Pionieroffiziers und Widerstandskämpfers Robert Vekemans. Er weiß, wo die Deutschen unter den Brücken Minen verlegt haben und wo nicht. Die Briten können die Deutschen jetzt im Rücken angreifen und gewinnen so eine Menge Zeit.
4. September 1944
Endlich!
Britische Panzer rollen durch die Straßen und befreien Antwerpen. Die Menschen sind ausgelassen und kommen in großer Zahl auf die Straße. Vielerorts befinden sich aber noch deutsche Soldaten in der Stadt und es wird dort gekämpft. Am deutschen Kommandobunker im Stadtpark und bei der Feldkommandantur auf der Meir kommt es zu Scharmützeln. Auch in den Vororten Luchtbal und Merksem, sowie im Hafen finden heftige Gefechte statt.
4.-5. September 1944
Repressalien der Antwerpener
Im befreiten Antwerpen richtet sich eine erste „Welle” der Volkswut gegen Orte, die als Sinnbild für die Anwesenheit der Besatzungsmacht gelten. Einwohner plündern deutsche Lebensmittel- und andere Vorräte, haben es aber auch auf die Gebäude und Besitztümer der kollaborierenden Organisationen und Personen abgesehen. Parteilokale des VNV und von De Vlag werden zerstört. Mehr als eine Hauseinrichtung fällt den Pflastersteinen zum Opfer. Den Kollaborateuren, oder denen die unter Verdacht stehen, ergeht es nicht besser. Sie werden aus ihren Häusern gejagt und in Polizeidienststellen, Gefängnisse und andere Sammelstellen gebracht. Es wird gebrüllt und geschrien. Oft geht man ziemlich brutal vor.
12. September 1944
Der Bürgermeister ist wieder da
Camille Huysmans, der bei Kriegsbeginn nach Großbritannien geflohen war, kommt in der Stadt an. Die Gemeinderäte werden nach ihrer Inaktivität während des Krieges wieder zusammengerufen.
2. Oktober 1944
Kanadische Einheiten befreien Merksem
Oktober 1944 – März 1945
Nicht vom Krieg befreit
Antwerpen ist jetzt zwar von den Besatzern befreit, aber der Krieg ist noch lange nicht vorbei. Im Gegenteil. Hitler erteilt den Befehl, Antwerpen mit V1- und V2-Raketen zu beschießen. Sie sollen verhindern, dass die Alliierten den Hafen unbeschädigt einnehmen und von dort aus ihre Truppen an der Front bevorraten können. In den kommenden Monaten fliehen Tausende von Zivilisten aus der Stadt aufs Land oder an die Küste.
13. Oktober 1944
Die erste V-Bombe auf Antwerpen
An diesem Tag fällt die erste der vielen V-Bomben auf das Antwerpener Stadtzentrum. Sie schlägt um 9.45 Uhr in der Schildersstraat in der Nähe des Museums der Schönen Künste ein. Die Folge: 32 Tote, 46 Verwundete und enorme Zerstörungen. Es beginnen 6 Monate der Angst. An eine ungestörte Nachtruhe ist nicht mehr zu denken.
19. Oktober 1944
Antwerp X
Die Alliierten richten zum Schutz der Stadt und ihrer Umgebung eine Luftabwehr ein, die ab November unter dem Befehl des erfahrenen amerikanischen Generals C.H. Armstrong steht. Er leitet die „Anti-Flying Bomb Command Antwerp X”. Auch der Passive Luftschutz (Passieve Luchtbescherming) organisiert sich. Der Antwerpener Dienst tritt mit Hilfe der Alliierten in Aktion, wenn Bomben einschlagen. Auf der Kathedrale und später auch dem KBC-Hochhaus (Boerentoren) werden Beobachtungsposten eingerichtet.
11. November 1944
Kein Waffenstillstand an diesem Tag
In der Breydelstraat schlägt eine V2 ein, 51 Tote. Zwei Wochen später, am 27. November, fällt eine V2 auf die vielbefahrene Kreuzung zwischen der De Keyserlei, der Frankrijklei und dem Teniersplaats. 128 Zivilisten und 29 Soldaten überleben den Angriff nicht. Außerdem gibt es 260 Verwundete.
Oktober – November 1944
Die Schlacht um die Schelde
Der Antwerpener Hafen, die Fahrrinne dorthin und die Mündung der Schelde sind für die militärischen Pläne der Alliierten von essenzieller Bedeutung. Anstatt über die kleineren französischen Häfen wollen sie nun über den Antwerpener Hafen in großen Mengen Truppen und Material importieren. Schließlich vertreiben die alliierten Truppen unter der Leitung der Kanadier die Deutschen aus Seeländisch-Flandern, Beveland und Walcheren, was Tausende von Soldaten der Alliierten mit dem Leben bezahlen. Danach wird die Schelde von Minen befreit und Antwerpen kann den Alliierten als Nachschubhafen dienen.
28. November 1944
Der Hafen ist wieder offen
An diesem Tag empfängt der Antwerpener Hafen nach über 4 Jahren das erste „befreundete” Schiff.
16. Dezember 1944
Beginn der Ardennenoffensive
Mit dieser letzten großen Offensive will Hitler den Vormarsch der Alliierten in Nordfrankreich und Belgien schwächen. Er hofft, durch die Einnahme des Antwerpener Hafens den Alliierten den Weg zu Nachschublieferungen - Lebensmittel und Kriegsmaterial - abzuschneiden.
16. Dezember 1944
V-Bombe auf Kino Rex
An diesem Tag wird im Kino Rex in der De Keyserlei der Film „The Plainsmen”, ein Western über Buffalo Bill, gezeigt. Gegen 15.30 Uhr schlägt das Schicksal zu. Eine V-Bombe trifft das Kino. Es gibt insgesamt 567 Tote: 296 Soldaten und 271 Zivilisten.
25. Januar 1945
Ende der Ardennenoffensive
Die amerikanischen Truppen halten Stand und stoppen die deutsche Gegenoffensive.
27. Januar 1945
Die Rote Armee rückt im Osten vor
Inzwischen rücken die Sowjettruppen von Osten vor. Sie befreien u. a. das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau.
März 1945
Am 28. März 1945 fällt auf den Poloplatz am Hoogboom in Ekeren die letzte V-Bombe auf Groß-Antwerpen
In diesem letzten Monat gibt es insgesamt etwas mehr als 200 Todesopfer.
Oktober 1944 – März 1945
Eine tödliche Zeit
Die 6 Monate währenden Bombenangriffe auf Groß-Antwerpen führen zu erschreckenden Zahlen. Historiker schätzen, dass es in diesen 6 Monaten mindestens 2 910 bis 2 957 Tote unter der Zivilbevölkerung Groß-Antwerpens gab und auch ungefähr 600 Soldaten der Alliierten ums Leben kamen. Etwas mehr als 5 200 Menschen wurden verwundet oder vermisst.
8. Mai 1945
V-Tag
Das Ende des Zweiten Weltkriegs im Westen. Rund 10 Tage nach Hitlers Selbstmord kapituliert Deutschland. Viele Probleme sind bei Kriegsende natürlich noch nicht gelöst. Genau wie in den vergangenen „befreiten” Monaten ist die Versorgung mit Lebensmitteln weiterhin schwierig. Infolge der Bombenangriffe liegt die Stadt auch vielerorts noch in Trümmern.
April-Sommer 1945
Die Rückkehr der jüdischen Überlebenden, Kriegs- und politischen Gefangenen
Neben den vielen Problemen, die ein Neuanfang und das tägliche Leben nach Kriegsende mit sich bringen, ist auch das menschliche Leid enorm. Über große Umwege - infolge der beschädigten Infrastruktur - kehren ab Frühjahr 1945 jüdische und andere Überlebende aus den Lagern nach Antwerpen zurück. Sie kommen am Antwerpener Hauptbahnhof an. Durch ihre Rückkehr wird in Antwerpen auch immer deutlicher, welches Grauen sich in den Lagern abgespielt hat.
Mai – Juni 1945
Eine zweite Welle von Aktionen in den Straßen
Die Rückkehr politischer Gefangener und Juden aus den Lagern sorgt für große Empörung. Die ausgemergelten und unterernährten Körper hinterlassen einen starken Eindruck. Es kommt zu einer zweiten Serie von Aktionen gegen Kollaborateure und diejenigen, die dessen verdächtigt werden. Häuser werden beschmiert. Angebliche Kollaborateure werden aufgefordert ihr Viertel oder die Stadt zu verlassen. Oft bleibt es bei solchen Aktionen. Es kommt in dieser Zeit in Antwerpen und Umgebung nicht zu einer weiträumigen Ausdehnung gewalttätiger Übergriffe.
15 Oktober 2024
Antwerpen gedenkt
Die Stadt richtet anlässlich des Gedenkens an die Befreiung jedes Jahr verschiedene Initiativen ein. Sie finden die Initiativen auf der Zeite 'Aktivitäten'.
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